
Belohnungssysteme: Gamification mit Orden im Unterricht
Mein Belohnungssystem mit Orden wirkt. Montagmorgen, 8:05 Uhr. Noch bevor ich die Tür richtig aufgeschlossen habe, steht Mia vor mir. „Haben wir heute wieder Zeit für unsere Ordenwand?“ Ihre Augen leuchten – und ich weiß: Es motiviert – und schafft eine Atmosphäre, in der Lernen Freude macht.
In den letzten Jahren habe ich intensiv darüber nachgedacht, wie ich meine Klasse so führen kann, dass für alle ein angenehmes Lernklima herrscht. Es ist entscheidend, dass sich alle wohl in der Gruppe fühlen, ohne am Ende des Tages völlig erschöpft nach Hause zu gehen. Eine positive Atmosphäre ist auch für die Kinder spürbar – wer sich sicher und gesehen fühlt, kann besser lernen.
Erfahrungen mit Wochenplänen und selbstgesteuertem Lernen während der Pandemie
Während der Pandemie habe ich mit einem Wochenplan gearbeitet, der grundsätzlich gut funktionierte. Die Kinder erledigten ihre Aufgaben oft sehr zügig – aber eher mechanisch, ohne inhaltlich wirklich einzutauchen. Stress war bei vielen bereits am Montag spürbar. Dabei wünschen wir uns an unserer Schule, die stark am Jenaplan orientiert ist, vor allem eines: selbstgesteuertes Lernen in einem wertschätzenden sozialen Miteinander. Frontalphasen gibt es, aber eher punktuell.
Warum klassische Belohnungssysteme bei mir gescheitert sind
Über die Jahre habe ich verschiedene Belohnungssysteme ausprobiert: Perlen sammeln, Gutscheine, Applaus vor der Gruppe. Der Aufwand war zwar überschaubar, die Wirkung jedoch meist kurzfristig. Ich wollte etwas, das nachhaltiger wirkt, die Kinder emotional abholt, stärker in den Alltag eingebettet ist und die Kinder in ihrem Tun bestärkt – nicht nur fürs Endergebnis.
Mein Weg zur Gamification mit Orden
Die Idee, spielerische Elemente zu integrieren, ließ mich nicht los. Ich habe viel zu Gamification gelesen – vieles war mir aber zu kompliziert, zu theorielastig oder schlicht nicht alltagstauglich. Was mir vorschwebte, war ein niedrigschwelliges, visuell ansprechendes System, das ohne großen Materialaufwand funktioniert. Ich dachte zurück an meine eigene Kindheit, und wie sehr wir es liebten, niedliche, bunte Aufkleber, Karten, Computerspiele zu sammeln.
So entstand die Idee mit den Belohnungsorden – kleine, symbolische Auszeichnungen, die sichtbar machen, was Kinder im Alltag leisten.
So funktioniert das Ordenssystem
Zu Beginn des Schuljahres wählen die Kinder einen Avatar aus. Sie dürfen entscheiden: Tier oder Mensch? Forscherin, Astronaut, Künstler? Ich gestalte den Avatar für sie – auf Wunsch individuell – und bringe ihn an unserer weißen Pinnwand an. Im Laufe der Zeit sammeln wir dort die Orden, die etwa drei Zentimeter groß sind.
Ein Orden wird zum Beispiel vergeben für:
- den Abschluss eines Sachunterrichtsthemas
- das Beenden der Grund- oder Schreibschrift
- besondere Aufgaben wie Theaterprojekte oder Vorträge
- dem Abschluss eines Arbeitsheftes
Die Verleihung geschieht immer vor der gesamten Stammgruppe – begleitet von anerkennendem Applaus. Es ist ziemlich cool, zu sehen, wie Stolz die Kinder sind, wenn sie ihre Orden vor der Gruppe entgegen nehmen.
Individuelle Förderung sichtbar machen
Auch Kinder, die zusätzliche Unterstützung benötigen, erhalten Orden – etwa für das konsequente Arbeiten mit Fördermaterialien. Durch unsere Jahrgangsmischung (1–3) entsteht kaum Konkurrenzdenken. Jedes Kind hat seine eigene Lernreise. Die Orden helfen dabei, Fortschritte sichtbar und bedeutsam zu machen – unabhängig vom Leistungsstand.
Warum es für uns funktioniert
Das System ist einfach, aber wirksam:
- Visualisierung: Die Wand wächst mit – ein echter Motivationsfaktor.
- Verlässlichkeit: Die Regeln sind klar, aber flexibel genug für individuelle Würdigungen.
- Verbindung: Die Kinder identifizieren sich mit ihren Avataren. Das stärkt Zugehörigkeit und Selbstwirksamkeit.
- Eigenverantwortung: Immer wieder erinnern mich Kinder daran, wenn ich einen Orden vergessen habe – das zeigt, wie wichtig ihnen diese Form der Anerkennung ist.
Aktuell sieht unsere Ordenswand so aus (wir haben insgesamt zwei):

Wie sich das System weiterentwickeln kann
Bisher vergebe ich Orden für jedes Sachunterrichtsthema automatisch. Künftig könnte ich das an kleine Tests knüpfen, z. B. mit einer Mindestpunktzahl (50 %). Ich taste mich da heran – das System darf sich weiterentwickeln, so wie die Kinder und ich auch.
Fazit: Gamification als Werkzeug für ein gutes Miteinander
Was mich überzeugt: Dieses Belohnungssystem tut nicht nur den Kindern gut, sondern auch mir. Es macht Freude, kleine Fortschritte sichtbar zu würdigen – und es stärkt das Miteinander. Durch die farbenfrohe Gestaltung eignet es sich besonders gut für die Arbeit im Grundschulbereich. Ich merke, dass meine Gruppe ruhiger, konzentrierter und ausgeglichener arbeitet. Und ich gehe selbst mit mehr Energie nach Hause.
Was bleibt? Kein Zaubermittel – aber ein Werkzeug, das wirkt. Das ist doch schonmal ein Anfang.